Und ihrem Leben.
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sich an der deutschen Brücke ein neues Schauspiel. Arbeiter karren den
Hering aus den Schiffen unter die weiten Durchgänge der Häuser.
Hier sitzt, von Tonnen umringt, eine Anzahl von Frauen, die mit dem
Messer in der Hand das Werk des Ausweidens verrichten. Sie haben
in dieser Arbeit eine solche Fertigkeit, dass viele tausend Fische täglich
durch ihre Hände gehen. Die ausgeweideten Heringe werden in bereit-
stehende Kübel geworfen. Sind die Kübel gefüllt, so werden sie von
andern Arbeitern an den Platz des Finsalzens gefahren; dort werden
die Heringe in Tonnen verpackt und mit Salzlake begossen; der
Böttcher schliefst sie, und nun sind sie, in den Lagerhäusern aufge-
stapelt, zur Ausfuhr fertig und bereit. Bedenkt man, dass von Bergen
allein jährlich an 300000 Tonnen ausgeführt werden, so kann man sich
einen Begriff von der Grösse und Lebendigkeit dieses Handels machen.
Aber wie viel Gefahren, wie viel Mühen und fast übermenschliche
Anstrengungen bringt dieses Fischergewerbe mit sich! Man denke sich
das nordische Meer am Ende des Januarmonats, von Orkanen gepeitscht,
die mit rasender Wut über nackte Klippen jagen. Doch der Fischer
fragt nicht nach Sturm und Eis und nach den schrecklichsten Ent-
behrungen. „Die Fische sind da!“ und er muss sie fangen, mit Wal-
fischen und Adlern um den Preis streiten. Gieb dem armen Kordlands -
fischer ein gutes Feld, das ihn ernährt, wenn er halb so viel arbeitet als
in seinem lecken, morschen Kahne: er wird es verschmähen, verschmähen,
wie der kühne Alpenjäger das bequeme Haus verschmäht. Diesen lockt
das rauschende Dickicht der Wälder, jenen das brausende Wogen des
Meeres. Auf den Bergen zu schweifen, auf den Wellen zu fahren, das
dünkt sie viel schöner, als geruhig in Städten zu wohnen und an vollen
Tischen zu sitzen. So mächtig ist der Trieb, zu wagen und zu ge-
winnen — oder zu verlieren! Mügge.
129. Die Buche.
Der eigentliche norddeutsche Waldbaum ist die Buche. Sie liebt
sanftgehobene Flächen und wächst gern auf den sonnigen Hügeln, die sich
vor den Höhen des Gebirges hinziehen. Durch ganz Thüringen, in den
Harzthälern, auf Rügen, im östlichen Schleswig-Holstein herrscht dieser Baum;
aber in der stolzesten Pracht seines Wachstums erscheint er auf den dänischen
Inseln, namentlich auf Seeland.
Unter allen Bäumen ist er der geselligste; er schießt seine Wurzeln
nicht tief ins Erdreich sondern kreuzt sie mit denen seiner Nachbaren. So
mit verschlungenen Wurzeln und Wipfeln trotzt ein Buchenwald den Stürmen
und dem Sonnenbrand. Alleinstehend und ohne allen Schutz erliegt die
Buche bald der Witterung.
Schleswig-holst. Kindersreund.
8
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-Holstein Seeland Buchenwald
Und ihrem Leben.
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Und im Herbste, welche Wonne
bring' ich in des Menschen Haus!
schaff' ihm eine neue Sonne,
wann die alte löschet aus."
So sich brüstend sprach die Rebe;
doch die Tanne blieb nicht stumm;
säuselnd sprach sie: „Gerne gebe
ich dir, Rebe, Preis und Ruhm.
Eines doch ist mir beschieden:
mehr zu laben als dein Wein
Lebensmüde; — welchen Frieden
schließen meine Bretter ein!"
Ob die Rebe sich gefangen
gab der Tanne, weiß ich nicht;
doch sie schwieg, und —Thränen hangen
sah ich ihr am Auge licht.
Kerner.
143. (185.) Das Renntier.
Das Renntier kommt an Größe aber nicht an Leichtigkeit der Gestalt
dem Damwild gleich. Seinen gedrungenen Körper tragen stämmige Beine,
die auf breiten, bei jedem Tritt knackend auseinanderweichenden Hufen ruhen.
Mit ihnen eilt das Renntier ebenso behende über den Schnee wie der Schwielen-
fuß des Dromedars über den Sand; und wie dieses ist es im stände, reißende
Gewässer leicht zu durchschwimmen. Auch die dichte, dunkle Behaarung, die
unter dem Halse eine Mähne bildet, kennzeichnet das Geschöpf der Winter-
zonen. Die Schaufeln seines vielästigen Geweihes dienen ihm als Waffe
und sein Fuß als Grabscheit, um im Winter, wenn alles Grün unter
dem Schnee begraben ist, die nährenden Flechten daraus hervorzuscharren.
Kopf und Hals des Renntiers sind kurz und dick, Vorderbug und Schultern
von massiger Stärke, als sei es von der Natur selbst zum Ziehen schwerer
Lasten auf beschwerlichen Wegen bestimmt.
Man weiß, daß das Leben der nördlichen Völker Europas und Asiens
mit dem Leben dieses Geschöpfes untrennbar verbunden ist. Es macht ihre
einzige Habe aus. Leichten und sicheren Fußes zieht es den Schlitten des
Lappen, trägt diesen selbst, labt ihn mit kräftiger Milch und giebt ihm
in seinem Fleische eine nahrhafte Speise. Es geht überhaupt von diesem
Tiere nichts ungenutzt verloren; selbst die Knochen und Sehnen weiß der
Lappe zu seinem ärmlichen Hausrate zu verwenden. Mit der Haut aber
kleidet und deckt er sich, behängt er sein Zelt, füllt er seinen Schlitten und
das Lager der Lebenden und Toten. Dazu ist Zähmung und Unterhalt der
Tiere fast mühelos. Es sucht den Menschen und bleibt ihm eigen, ohne
eines Hüters oder Obdachs zu bedürfen.
Die hohen, wüsten Felsklippen, die fürchterlichen Sümpfe, deren Decke
das bittere Renntiermoos und die Zwergmaulbeere trägt, sind seine Heimat.
Wo jene nahrungsreiche Flechte mit ihrem dürren, schneeweißen Wüchse Moore,
Felsen und Hänge überkleidet, da weiden überall die nach Hunderten und
Tausenden zählenden Herden dieser Tiere; und schon aus weiter Ferne erkennt
das Auge des Lappen den wandernden Wald von Geweihen. Aber wie den
Araber das Kamel, so und in noch viel höherem Grade zwingt den Lappen
Schleswig-holst. Kinderfreund. 9
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Ii. Bilder aus der Natur
streifen, ist leider weiter verbreitet und häufiger als unserer Wohlfahrt er-
sprießlich ist. Sie bewohnt sonnige und womöglich zugleich feuchte, mit
niederem Gestrüpp bestandene, an Schlupfwinkeln reiche Örtlichkeiten der Höhe
wie der Tiefe, Heiden und Moore oft in bedenklicher Menge. Im März verläßt
sie ihre Winterherberge und treibt sich von da an bis Anfang Oktober in
einem kleinen Gebiete umher. Ein Nachttier wie alle ihre Verwandten,
dabei die Sonnenwärme in hohem Grade liebend liegt sie am Tage
schlummernd mehr oder minder verborgen auf einer und derselben Stelle,
im Strahle der Sonne sich reckend, über jede Störung ihrer Behaglichkeit
ingrimmig sich erbosend. In der Regel belehrt ein ärgerliches Zischen über
ihr Vorhandensein; oft aber schnellt sie ohne diese Warnung den zum
Bisse gehobenen Giftzahn auf den sich ihr Nahenden. Und wenn das
von ihr ins Auge gefaßte Glied nicht wohl geschützt ist, so hat der
giftige Tropfen seine verheerende Wirkung begonnen, bevor man noch den
Feind entdeckt.
Wer ihn zu würdigen weiß, betritt vorsichtig und nur mit festen
Stiefeln bekleidet dessen Lteblingswohnsitze, achtet auf jedes Geräusch, sucht
und arbeitet nicht mit den Händen auf dem Boden umher und bricht sich,
wenn er das tückische Kriechtier entdeckt, die erste beste Rute vom nächsten
Strauche. Ein Schlag, selbst von Kindeshand über den Rücken geführt,
genügt, den Giftwurm zu fällen. Nur daß man sich nicht verleiten lasse,
die scheinbar getötete Kreuzotter unvorsichtig aufzunehmen! Der vom Rumpfe
getrennte Kopf beißt noch ebenso wütend und fast ebenso gefährlich wie die
lebende Otter nach dem Feinde. Wer das Mißgeschick hat gebissen zu werden,
säume nicht mit Gegenmitteln, zu denen namentlich sofortiges Aussaugen
der Wunde gehört; jede Verzögerung kann den Tod herbeiführen.
Die Kreuzotter nährt sich fast ausschließlich von Mäusen, die sie des
Nachts erlauert, macht sich also in gewissem Grade nützlich; aber jeder
andere Mäusefeind leistet mehr als sie; und ihr Giftzahn ist denn doch allzu
gefährlich, als daß man ein Wort zu ihren Gunsten einlegen dürfte.
Brehm.
120. (79.) Sommerfreude.
1. Geh aus, mein Herz, und suche
Freud’
in dieser liehen Sommerzeit
an deines Gottes Gaben!
Schau’ an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben!
2. Die Bäume stehen voller Laub ;
das Erdreich decket seinen Staub
| mit einem grünen Kleide.
Narcissen und die Tulipan’,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide.
3. Die Lerche schwingt sich in
die Luft;
das Täublein fliegt aus seiner
Kluft
und macht sich in die Wälder.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
260
Iv. Bilder aus der Erdkunde.
Abends um 6 Uhr aufstehen; es ist alles einerlei. Finster ist es und
bleibt es, so dass mancher zuletzt gar nicht mehr wissen mag, ob es
denn eigentlich Tages- oder Nachtzeit ist.
So wird der Winter im hohen Norden von einer mehrere Monate
langen Nacht begleitet, wogegen der Sommer durch ebenso lange Gegen-
wart der Sonne entschädigt. So gut es aber auch dann die Sonne
meint, ein Sommer in unserm deutschen Vaterlande ist doch besser als
ein Sommer im Norden von Schweden und Norwegen. Zwar überziehen
sich in kurzer Zeit die Thäler mit einem saftigen, vollen Grün; auch
fehlt es nicht an Blüten mancherlei Art, und die Wärme steigert sich
mit jeder Stunde, da die abkühlende Nacht nicht eintritt; — aber an
Kirschen und Birnen ist nicht zu denken, ja nicht einmal an Kartoffeln ;
und Brot aus Roggen gilt als Leckerbissen. — Wer dort wohnt, der
bekommt keinen andern Baum zu sehen als die Tanne oder die Birke;
und wer aus unserm Vaterlande dort hinziehen will, der nehme nur
Abschied von den Buchenwäldern und Obstbäumen, von der Weinrebe
und den Weizenfeldern. Anfangs begleiten ihn zwar noch alte Bekannte:
Apfelbäume, Birnbäume, Buchen und Eichen; aber je weiter er reist,
je mehr bleibt ein Baum nach dem andern zurück, bis er zuletzt nur
noch die düstere Tanne und die zierliche Birke neben sich schaut.
Aber ehe er sich’s versieht, sind diese zu Zwergen zusammengeschrumpft,
die kauernd hinter Klippen und in Schluchten Schutz suchen. Hält er
immer noch nicht in seiner Wanderung inne, so nehmen auch diese
Zwerglein von ihm Abschied, und nun erinnert ihn nur noch ein Weiden-
gebüsch an sein Heimatland, bis auch dieses verschwindet und Heide-
kraut das endlose Wellenland überzieht, Moose und Flechten den Boden
polstern und als die einzig Unüberwindlichen über Frost und Schnee
frohlocken. Das Blöken der Schaf- und Rindviehherden hat sein Ohr
schon längst nicht mehr vernommen. Die Menschen, die er hier und
da etwa antrifft, kommen ihm fremdartig vor, kleiner als daheim, mit
einem andern Schnitt der Kleider und mit einem andern Gesicht. Es
sind die Lappländer, mit denen er im Norden von Schweden und
Norwegen Bekanntschaft macht.
Auch mit dem Renntiere wird er Freundschaft Schliessen müssen;
denn ohne dieses könnte er in Lappland gar nicht leben. Das Renntier
hat unter allen Hirscharten die gedrungenste und kräftigste Gestalt. Der
ganze Bau des Tieres ist zum Ertragen von Beschwerden, zum Ziehen
von Lasten eingerichtet. Auch weiss es sich auf einem Boden zu er-
nähren, der acht Monate des Jahres mit Schnee und Eis bedeckt ist.
Hunger erträgt es ohne viel Beschwerde; Moos ist sein Lieblingsgericht.
Trotz dieser kärglichen Nahrung überwindet es aber viel besser als das
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]